Eine Meldung über den Untergang der Titanic in den Zwickauer Neuesten Nachrichten.
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Dass und warum die „Titanic“ vor einhundertzehn Jahren im Meer versank, dürfte hinlänglich bekannt sein, - wer sich diesbezüglich weiter informieren möchte, dem sei die Lektüre zeitgenössischer Artikel in der damaligen Presse empfohlen. [Abb.: Zwickauer Neueste Nachrichten 20 (1912) Extra=Blatt Titanic betr.] Hingegen weitgehend im Dunkel liegen dürfte, wann und warum der „Lindenhof“ unterging, bevor er im Dezember 1934 von Felix Borsig wieder gehoben wurde.

Anfang März 1894 hatte der Koch Emmanuel Bruno Beyer den Gasthof erworben und über viele Jahre gut geführt. [Abb.: Akten … Den Gastwirt Emmanuel Bruno Beyer hier betr., 1894. EL 5050, Titelblatt] Nach umfangreichen Erweiterungs- und Umbauarbeiten zählte man allein am 11. Oktober 1903 zur Einweihung „dieses neuen, hier einzig schönen und praktisch angelegten Festhauses“ an die 4000 Besucher. Der vergrößerte Saal wurde fortan gewerbsmäßig für „Varieté Theater“ genutzt. Den neu angelegten Garten, der als schönster und beliebtester Sommergarten Zwickaus galt, zierte ein Alpenpanorama. [Abb.: Pk 795] Als Beyer aber im Mai 1918 verstarb, übernahmen Bruder und Witwe das Geschäft. [Abb.: Ebenda, Bl. 31] Es fing alles ganz harmlos an: Eine erste Anzeige erging gegen Beyer, weil er dem Schutzmann Oehmiger in gar ungebührlich geringschätzigem und höhnischem Tone geantwortet hatte, so dass sich dieser als aufsichtführender Beamter vorm Publikum doch sehr zurückgesetzt fühlen musste.

Ein paar Jahre später wies Beyers Strafregister bereits 14 Bestrafungen aus, und schließlich hatte Beyer, 1927, einen Gerichtsprozess wegen „grober Vernachlässigung der Aufsichtspflicht“ am Halse.

Was war passiert?

Der 15jährige Fleischerlehrling Oswald P. war bei Dr. Leupold wegen eines Brennens beim Wasserlassen vorstellig geworden; der Arzt diagnostizierte Tripper und erstatte Meldung an das Wohlfahrtspolizeiamt. So kam der Stein ins Rollen.

Bei der Vernehmung gestand die Kellnerin, „mit der was zu machen sei“, wie andere Gäste des Lindenhofs wussten, zweimal mit P. verkehrt zu haben, mal auf dem Sofa der Weinstube liegend, mal auf dem Fußboden der Waschküche, selbst wie sie dort auf ihm sitzend, von oben gearbeitet hätte, wird nicht verheimlicht. Protokolliert wird auch, dass P. ihr für die Duldung des Beischlafs Schokolade und 2 Mark geschenkt habe. Infiziert hatte Sie sich wohl bei einem ihrer anderen Freier, mit denen sie es zuvor in ihrer Kammer und auch im Gastraum getrieben. Immer scharf drauf sei sie gewesen, sich einige Mark nebenbei zu verdienen.

Gastwirt Beyer hatte sich indessen nur selten im Saale blicken lassen und die Sache so begünstigt. Zuweilen, nur mit hastig übergeworfenem, locker gegürtetem Pelzmantel bekleidet, tauchte er kurz auf, um ein paar Biere auszuschenken und sich als bald wieder zu entfernen - und weiter mit einer anderen Kellnerin zu vergnügen.

Daneben häuften sich Beschwerden über menschenunwürdige Zustände der unbeleuchteten Abortanlagen, Nichteinhaltung der polizeilichen Sperrstunde [1 Uhr], Unsauberkeiten an der Bierzapfeinrichtung, Preiswucher, Steuerhinterziehung, Beschäftigung Minderjähriger …

So wurde denn auch die von Rechtsanwalt Lehmann im Auftrage Beyers geführte Anfechtungsklage schließlich, Ende Februar 1929, abschlägig beschieden und die Schankkonzession [Abb.: Ebenda, Bl. 122r] entzogen, so dass man fortan im „Lindenhof“ auf dem Trockenen saß und der Saal nur noch ab und an für Filmvorführungen und Versammlungen genutzt wurde.

                                                           Jürgen Schünzel

Historische Postkarte mit dem Lindenhof als Motiv
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