Das Stadtrechtsbuch von 1348, welches neben der urkundlichen Überlieferung zu den ältesten Dokumenten des Stadtarchivs zählt, wird morgen restauriert an das Stadtarchiv zurückgegeben. Das Buch, dessen Seiten aus gut erhaltenem Pergament bestehen, umhüllt ein Holzdeckeleinband mit Beschlägen und Schließen aus einer Messinglegierung. Jahrhundertlange mechanische Belastung setzen der wertvollen Archivalie stark zu.
Dem Restaurator Christian Maul aus Thüringen ist es in Zusammenarbeit seinem Berufskollegen Bernhard Gabert aus Baden-Württemberg, der auf historische Buchbeschläge spezialisiert ist, gelungen, den Bucheinband und die Beschläge originalgetreu wieder herzustellen. Damit erstrahlt das Stadtrechtsbuch wieder im neuen Glanz. „Wir freuen uns sehr, dass es im Zusammenhang mit der 900-Jahrfeier, die die Stadt Zwickau 2018 begehen konnte, finanziell möglich war, das Stadtrechtsbuch restauratorisch bearbeiten zu lassen, um es weiterhin für nachfolgende Generationen erhalten zu können.“, macht Silva Teichert, Leiterin des Stadtarchivs, im Vorfeld auf den Termin neugierig. „Das Buch wird künftig nicht mehr frei zugänglich sein. Es wird sicher in einer feuerfesten Metallbox unter Einhaltung strenger konservatorischer und klimatischer Anforderungen verwahrt. Dem Nutzer steht aber es aber weiterhin in Form von Mikrofilmen zur Verfügung.“
Hintergrund:
Codex Statutorum Zviccaviensium (Stadtrechtsbuch) 1348
Stadtrechte entstanden in Deutschland seit dem 10. Jahrhundert. Ihr Normierungsanspruch bezog sich sowohl auf Privatrechtsverhältnisse wie auch Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Stadtrechte sind Zeugnis des Erreichens eines hohen Autonomiegrades einer Stadt Selbstverwaltung).
Das Rechtsbuch der Stadt Zwickau umfasst 192 Artikel, wurde von „Heinrich dem Schreiber“ 1348 begonnen und war um 1360 im Wesentlichen abgeschlossen. Es besteht aus vier Teilen: Stadtverfassung und Handwerksordnungen, Privatrecht und Gerichtsverfassung sowie Strafrecht. In der Handschrift vorangestellt ist eine Urkundensammlung und das Lehnrecht des Sachsenspiegels. Auf diesem fußend stellt es dennoch eine eigenständige Quelle zur Sozial-, Politik- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt mit überregionaler Wirkungsgeschichte und Ausstrahlungskraft dar. Es steht in seiner Bedeutung in einer Linie mit dem Freiberger Stadtrecht um 1300 und diente als Vorlage für weitere Stadtrechtskodifizierungen, so zum Beispiel der Stadt Meißen. Aufgrund seiner Rechtsbedeutung und seiner verwaltungsleitenden Funktion hat es wohl einen besonderen Schutz genossen und die zahlreichen Brände der Stadt unbeschadet überstanden.
Das Stadtrechtsbuch zählt neben der urkundlichen Überlieferung zu den ältesten Dokumenten des Stadtarchivs überhaupt. Zusätzlich zur Beschreibung der Bürgerrechte und Bürgerpflichten beinhaltet das Stadtrechtsbuch auch die ersten Handwerksordnungen, so für die Tuchmacher als wichtigstem Handwerkszweig sowie für die Fleischer, Bäcker, Kramer, Schmiede und Schuster. Überregionale Ausstrahlungskraft besitzt das Stadtrechtsbuch neben seiner sprachgeschichtlichen Bedeutung aufgrund der deutschen Textabfassung und der ersten Nennung des Steinkohlengebrauchs der Schmiede, auch wegen der Beschreibung der Gerichtsbarkeit mit den einzelnen Strafbemessungen und deren Visualisierung durch hervorragend erhaltene Buchmalereien. Zwickau als Inhaber der hohen Gerichtsbarkeit (Halsgerichtsbarkeit=Verhängung der Todesstrafe) im Zusammenhang mit dem Status der Stadt als Reichsstadt spielte im markmeißnischen Raum zu diesem Zeitpunkt eine Ausnahmerolle, da dieses hohe Rechtsprivileg nur wenigen anderen Städten zustand. Mitte des 15. Jahrhunderts nehmen die Eintragungen in das Buch ab, bevor es wohl gegen Ende des 16. Jahrhunderts seine unmittelbar praktische Bedeutung verloren hat.